Dieser harmlos scheinende Satz „Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe“ schrieb Paulus in seinem Brief an die Korinther mit einer großen Sorge. In einem Abschnitt mit Grüßen steckt diese sehr kurze Ermahnung, die es aber in sich hat. Auch für uns in der heutigen Zeit können wir etwas für uns herausziehen.
Um die Bedeutung dieser Ermahnung für Christen damals und uns heute zu verstehen, lohnt sich der Blick auf die gesamte Aussage und einen Blick auf Umfeld und Zusammenhang der damaligen Zeit.
Seid wachsam, steht fest im Glauben, zeigt euch mannhaft und stark.
1.Korinther 16, 13-14
Alles, was ihr tut, soll von der Liebe bestimmt sein.
Die Situation der Stadt zur Zeit des Paulus:
Korinth war ein bedeutendes Handelszentrum und ein Schmelztiegel verschiedener Kulturen. Menschen unterschiedlicher Herkunft und ethnischer Hintergründe lebten und arbeiteten in der Stadt. Diese kulturelle Vielfalt prägte das soziale Gefüge und schuf eine sehr heterogene Gemeinschaft. Auch der wirtschaftliche Erfolg, begünstigt durch die geografische Lage, führte zu einem blühenden Handel und Wohlstand. Es wird davon ausgegangen, dass die Bevölkerung in Korinth von Handelsleuten, Kaufleuten und Arbeitern geprägt war.
Dieser „globale“ Handel sorgte in der Stadtbevölkerung für eine Offenheit für die von den Händlern mitgebrachten religiösen Kulten und der Aufstellung von Kultstätten mit sich. Der Tempel der Aphrodite, die Göttin der Liebe, hatte in Korinth eine hervorgehobene Bedeutung und trug zu einem vielfältigen religiösen Umfeld und zu einer Mischung von religiösen Überzeugungen und Praktiken in der Stadt. Heute würde man sagen „grenzenlose Offenheit und Diversität“.
Wie in vielen antiken Gesellschaften gab es auch in Korinth soziale Unterschiede. Die wohlhabenden Bürger hatten Zugang zu mehr Ressourcen und Privilegien, es gab die „Superreichen“ so wie auch die Schattenseiten einer solchen reichen Stadt: die ärmeren Schichten u.a. mit Arbeitslosigkeit und begrenztem Zugang zu Bildung und angenehmen Leben.
Einige historische Berichte weisen darauf hin, dass die Stadt für ihre lockeren Sitten, ausschweifenden und hedonistischen Feste und Veranstaltungen bekannt und berüchtigt war.
Man kann durchaus auch Ähnlichkeiten zur heutigen Zeit sehen: globalisierte Wirtschaft, Kommunikation verläuft schneller als zuvor, Verflechtungen und Abhängigkeiten zwischen Nationen, Regionen und Menschen unterschiedlichster Prägung, die zu großen Spannungen – auch bei Moralvorstellungen, Sitten und Gebräuchen – führen können, aber auch Wohlstand und Sicherheit bringen.
In solch einer Stadt (Korinth) konnte eine christliche Gemeinde gegründet werden. Mit Menschen, die als gemeinsame Grundlage lediglich den Glauben an den einen Herrn und mit einer gemeinsamen Hoffnung aus dem Glauben. Aber die Menschen dieser Gemeinde kamen aus den unterschiedlichen Schichten. Sie waren unterschiedlicher Herkunft und Verhaltenskultur. So gab es in etlichen Fragen im Miteinander, aber auch in der Abgrenzung zur Welt außerhalb der Gemeinde verschiedene Positionen, unterschiedliche Herangehensweisen. Diese Situation greift Paulus mit seinem Brief auf und gibt den Korinthern eine Orientierung.
Und diese beiden Ermahnungen des Paulus, „seid mannhaft und stark“ und „was ihr tut, soll aus Liebe geschehen“, gehört mit zu den Bestandteilen eines Rezeptes für den Umgang mit Problemen, Themen und dem Miteinander. Sie gelten auch für unsere Zeit, da die Menschen in ihrer Art doch gleich geblieben sind.
Das Wort „mannhaft“ würde man aufgrund des Zeitgeistes heute sicher nicht mehr verwenden. Aber damals hat Paulus mit der Doppelung „mannhaft“ und „stark“ deutlich machen wollen, dass der Glaube eines Christen nicht schwächlich und weich ist. Der an Christus glaubende Mensch steht nicht nur treu und stark zu seinem Glauben, sondern auch aus dem Glauben heraus kommt eine Stärke, die widerstehen lässt. Und zwar nicht nur einer äußeren Einwirkung widerstehen, auch sich selber widerstehen können. Äußeren Dingen widerstehen zu wollen, das machen wir gerne und leicht. Wir sind schnell gegen etwas. Aber der eigenen Eitelkeit und den eigenen Neigungen zu widerstehen, ist bei manchen Menschen die viel größere Herausforderung. Z.B. mal nicht recht zu haben. Mal nachzugeben und eine neue Position einzunehmen oder auch – falls eine Neigung zur Harmoniebedürftigkeit besteht – sich in eine kontroverse Diskussion zu trauen, um mehr Erkenntnis zu gewinnen und dadurch Korrektur für das eigene Glaubensleben zu erfahren. Durch diese Korrektur besteht schließlich die Chance in der eigenen geistlichen Entwicklung auf ein neues Level zu kommen. Paulus möchte mit seiner Wortwahl deutlich machen, dass nicht vorsichtiges oder ängstliches Ausweichen, sondern (mannhafte) Kraftentwicklung durch den Glauben ebenfalls eine Eigenschaft einer christlichen Gemeinde ist.
Wenn man sich die daran gekoppelte zweite Ermahnung „was ihr tut, soll aus Liebe geschehen“ näher anschaut, dann erfordert es einen nüchternen Blick auf das hier gebrauchte Wort „Liebe“. Denn die echte Liebe, die wirkliche Liebe ist nicht Schwäche, feiges Beschwichtigen, Gutmütigkeit, Ausleben einer Harmoniebedürftigkeit oder das Beschönigen. Bei der Liebe geht es mit voller Ernsthaftigkeit und vollem Einsatz um die Echtheit des anderen und nicht die Durchsetzung der eigenen Position oder Person.
Im Eifer des Ringens, optimalerweise um das gemeinsame Erkennen, verlieren wir zuweilen auch die Liebe aus den Augen. Ein guter Freund sagt mir mal, es ist nicht von Gott gewollt, dass wir die Wahrheiten, wie ein nasses Handtuch unserem Nächsten auf den nackten Leib draufknallen. Es sollte eher wie eine warme Decke sein, in die sich der andere gerne einwickeln lässt.
Und so gelangen wir zur Diskussionskultur untereinander: Wie gehen wir mit unterschiedlichen und sehr kontroversen Positionen um? Sind die Positionen so fest zementiert, wie es nur Gott persönlich fest zementieren darf? Entstehen tiefe Gräben, Verletzungen, weil in der Diskussion um die Sache die Liebe aus den Augen verloren geht, alles persönlich und eine Überempfindlichkeit gepflegt wird? Lassen wir uns in unserem irdischen Weltbild noch erschüttern und verändern? Werden Diskussionen abgebrochen, weil man es aufgibt, mit den anderen zu diskutieren und sich auszutauschen? Trennt und spaltet man sich nicht zu schnell, um des lieben (irdischen) Friedens oder einer irdisch gesinnten Sturheit willen?
Gerade durch den Austausch der Gläubigen untereinander entsteht eine geistliche Weiterentwicklung und eine Gemeinschaft. Nicht durch das Aussparen von Stellen, die zu kontroversen Diskussionen führen und man fürchtet. Seid stark durch den Glauben! Stark, um an etwas Gemeinsamen zu ringen und Stärke genug zu haben, um sich selber verändern zu können. Nur wer stark ist, kann sich persönliche Veränderung „leisten“. Wer schwach ist, wird immer Punkte finden, um nichts zu verändern.
Der Satz „Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe“ kommt recht weit am Ende des Korintherbriefes und gibt damit einen Auftrag, eine Ermutigung und einen Ausblick auf dem Weg. Paulus fordert zu einer positiven Grundhaltung auf. Alles, was man miteinander bespricht und tut, soll das Wohlwollen der anderen Person gegenüber als Grundmotiv enthalten. Es geht an dieser Stelle bei dem Wort „Liebe“ nicht um das wechselhafte Gefühl jemanden gegenüber. Es geht um die gute Tat an der Person, mit der man es gerade zu tun hat. Die gute Tat kann auch ein gutes Wort sein. Je nach Herzenshaltung werden die Worte und Taten als Früchte erkennbar.
Munir Hanna